7:30 Uhr, tiefer Wald im slowenischer Karst. Wie aus dem Ei gepellt springen drei bestens gelaunte Höhlengänger auf, markieren die Umgebung in ihrer jeweils eigenen Himmelsrichtung und geben sich ihren Milchschnitten, Flaschenbieren und Red Bull Dosen hin.
Um 8:00 Uhr platzt ein schwarzer Monstertruck in die Idylle. Herr Konopac erscheint mit Frau und allerlei Windhunden. Nicht ohne auf geselliges Geschwafel zu verzichten, wird vereinbart, sich um 11:00 Uhr am "Loch mit dem Gitter" zusammenzufinden. Der Schlüssel zum Gitter würde von Herrn Konopac zusammen mit dem Kontakt-Slowenen bis dahin besorgt werden. Schön. Und schon rollt der Truck auch schon wieder von dannen.
Zweieinhalb Stunden bis zum vereinbarten Termin. Langsam realisiert das zurückgebliebene Kleinstkollektiv, dass es durchaus auch zwei oder gar drei Stunden länger hätte schlafen können. Die Freude, dies nicht getan zu haben, überwiegt definitiv nicht. Trotzdem wird bereits um 8:30 Uhr mit undeutlichen Zielvorstellungen nach Osten abmarschiert - handelte es sich bei "Osten" doch um die Himmelsrichtung, welche noch nicht markiert worden war.
Am ersten Überbrückungsloch angekommen, wird nichts gefunden. Außer einigen Autoteilen. Daher wird an der Straße entlang zum nächsten Überbrückungsloch aufgebrochen. Auch in Slowenien lacht man offenbar gerne über Menschen in Kasperkostümen. Nur wenige Minuten später dringt Herr Wipplinger rechts und Herr Wolfram links in ein Loch ein. Beide vermelden nach 60 Zentimetern "Schicht".
Um nicht noch weitere Fehlschläge einstecken zu müssen, begibt man sich direkt zum "Loch mit Gitter". Es wird - wen wunderts? - nicht gefunden. Erst nach systematischem Durchkämmen des Geländes, aber trotzdem viel zu früh, ist das Gitter ausgemacht.
Noch 30 Minuten. Immer dann, wenn Zeit zum Philosophieren ist, philosophiert der CaveSeeker. Gut, mancher sinniert oder uriniert auch nur, aber generell wird philosophieren bevorzugt. Das Thema der heutigen Runde war: "Wie kann sich ohne Rektum fortplanzen?". Nach einigem Hin und Her war klar, dass das Rektum zwar nicht direkt mit dessen Fortpflanzung zu tun hat, es aber dennoch erstaunlich ist, wie ALT ohne Rektum zu werden in der Lage ist. Generell gilt jedoch: Nach 15 Jahren platzt er. Ob nun mit oder ohne Gelbwurstsemmel .
Plötzlich unterbricht schweres Maschinengeräusch die Denker: Herr Konopac trifft ein. 15 Minuten zu früh. Und das, obwohl er - ständig um beste Bilder bemüht - einen wichtigen Hunderfüßler im Spülbecken zu fotografieren versucht hatte. Überraschend schnell ist die Verschlusseinrichtung überwunden. Stolz wirde der vorbildlich berührungsfreie Seileinbau fotografiert, welcher ein bequemes Ein- und Ausfahren ermöglichen sollte. Selbstverständlich ging diesem Einbau kein längerer Streit voraus. Zwar ist der eigentliche Sinn des kontaktfreien Einbaus, das Seil vor dem zum Teil rasiermesserscharfen Kalkstein zu schützen - das Argument "Bequemlichkeit" zieht aber weitaus besser. Die Herren Seeleitner, Wolfram und Wipplinger fahren ins Loch - während aus dem großen, schwarzen Mobil ein Fünf-Gänge-Frühstück ausgeladen und verzehrt wird.
Zusammengefasst: Um 7:30 aufstehen, um 11:00 ins erste Loch. Weniger Gewaltaktion als eher Kaffeefahrt . Aber der Tag sollte noch zeigen, was der CaveSeeker unter Druck zu leisten im Stande ist.
Direkt am Eingang ist eine freie Abseilerei in ca. 40 Meter Tiefe zu absolvieren. Am krangelnden Seil bereitet dies nicht jedem Freude. Nur durch seine langjährige Erfahrung in Sachen Selbstsuggestion (oder auch Selbstbetrug) ist Herr Wipplinger in der Lage, die karussellartige Situation ohne Frühstücksauswurf zu überstehen und unbefleckt am typischen Schuttberg anzukommen.
Instinktiv begibt man sich nun in Richtung Sinter. Bald stößt man auf Trassierbänder und folgt diesen. Sinter in rauhen Mengen. Sinter in allen Formen, Farben und Größen. Vor allem aber: toter Sinter. Dennoch beginnt man pflichbewusst mit dem Ablichten des Schlachtfeldes. Als man beinahe fertig war, schiebt sich Herr Konopac mit Begleitung und Frau Bartos ins Bild. Also wartet man und schweigt, bis die Touristen die Sicht auf den Sinter wieder freigeben.
Um dem Leser die Freude am Loch nicht zu nehmen, hier nun die Wegbeschreibung unter roten Balken zum anderen, unglaublich schönen Teil des Lochs: an dessen Ende man bei laufender Videokamera verhöhnt wird.
Noch einmal kurz Bücken, ein letztes Mal kurz in die falsche Richtung abbiegen und schon steht man in einer noch größeren Halle, mit - wie sollte es auch anders sein - noch mehr Sinter. Im Unterschied zur ersten Halle blüht hier das Leben. Die Fotogruppe kämpft sich bis in den letzten Spalt vor und beginnt den blitzenden Rückzug, während die wegweisende Gruppe das Loch bereits wieder verlässt - teilweise ohne mitgeführtem Licht.
Dann ein elender Anblick: der Autor am Seil. Nicht enden wollende 40 Meter höher wird aber dennoch in jugendlichem Leichtsinn die Rinde eines verendeten Baumes abgerissen. Mit lautem Schrei - der die eigene Panik angemessen transportierte - wird der Anblick eines Skorpions an die erschütterten Kameraden kommuniziert, bevor eilig der Rückmarsch zum Basislager angetreten wird. Der Tag ist um 16:45 noch jünger als alle Anwesenden. Somit ist klar: Eine geht noch. Eine geht immer.