Es begab sich zu einer Zeit, als Horden von besoffenen Vätern oder die sich für solche hielten, mit alkoholbestückten Leiterwägen das Land und die Städte unsicher machten.
Die Hüter über Recht und Unordnung hatten somit einen Tag der Vollbeschäftigung und keine Zeit, um sich der wirklichen Bedrohung zu widmen. So konnten sich im Schutz der einbrechenden
Dämmerung zahlreiche wackere Untergrundkämpfer fast pünktlich im Stadtgraben treffen. Ziel dieser Mission: die Unterwanderung der alten Reichsstadt Nürnberg.
Nach erfolgter obligatorischer und verletzungsfreier Begrüßung wurde noch eine geraume Zeit das Gelände observiert, um sicher zu stellen, das keine ungebetenen Gäste zu ungebetenen Zeugen
werden konnten. Als auch die letzten Zweifel verflogen waren und man davon ausgehen konnte, das kein Bild - Leserreporter in der Nähe verweilte, schritt der Trupp zur Tat.
Angeführt von Obergrufti Klampfl, welcher gekonnt und schnell einen unscheinbaren
öffnete, verschwanden die Kameraden flugs von der Bildfläche in einen
ziegelgemauerten, ca. 12 m tiefen Schacht.
Am Grunde des Schachtes angekommen, erwartete uns bereits die erste großflächige Versinterung, welche, erzeugt durch Austritt von gelöstem Kalk, sich an der Decke und den Wänden des hier
verlaufenden Tucherstollens abgesetzt hat. Wahre Sinterkaskaden lassen erste Beweisbilder entstehen. Dem Stollen in östlicher Richtung folgend, konnten wir bald eine rechterhand
abzweigende, nach unten führende Treppe erreichen, welche nach einigen Metern in die unterste Ebene des dreistöckigen Bunkers am Laufer Torturm ausmündet.
Kamerad Arendt, der noch immer nicht an das lange zurückliegende Ende des großen, vaterländischen Krieges glaubte, ließ sich nicht davon abbringen, seinen mitgeführten NVA-
Stahlhelm aus der Hand zu geben. Erst der Fund von Gasmaskenteilen in einem Raum der Bunkeranlage und der Anblick von reichlich zerschissenen Toiletten schenkten ihm etwas
Vertrauen. Um nicht Gefahr zu laufen, sich in dem Labyrint von Gängen und Räumen zu verlaufen, erging der eindrückliche Befehl des
, zusammen zu bleiben und keine Einzelkampfaktionen
zu starten.
So inspizierten wir zusammen Raum für Raum dieser weitläufigen unterirdischen Anlage. Nach Erkundung der unteren Etage schritten wir eine der vielen vorhandenen
Treppenanlagen hinauf in das Zwischengeschoß, welches von den drei Etagen des Laufer Torbunkers die größte Ausdehnung besitzt. Auch hier frischer Sinter in Form von schneeweißen,
schier unendlich langen Maccaronis. Auch auf den schon vom Hersteller blutrot gefärbten Bodenfliesen haben sich bereits beachtliche Kalkausscheidungen gebildet. Wieder wird scharf
geschossen, jedoch im Gegensatz zu der Zeit vor siebzig Jahren verletzungsfrei und digital.
Weiter gehts entlang immer wieder abgewinkelter Gänge und dann eine lange Treppe empor, bis eine Mauer mit einem vergittertem Fensterloch den Weg versperrt. Durch das Gitter können wir
den Laufer Torturm erkennen. Leider konnten wir keine Passanten ausmachen, welche wir fragen wollten, ob denn der Krieg schon aus ist. So zogen wir uns sicherheitshalber wieder zurück
in die Tiefen des Bunkers. Vorbei an Räumen voll mit Metallschrott, welcher wohl einmal dazu diente, verbrauchte Luft gegen frische auszutauschen, erreichten wir bald über eine weitere
Treppe die oberste Etage dieses Komplexes.
Neuzeitlicher Spritzbeton bedeckt hier die Wände, weshalb in diesem Bereich auch nur wenige kleine Tropfsteingebilde vorkommen. Überhaupt sieht
es auf dieser Ebene sehr sauber und aufgeräumt aus. Die ideale Zweitwohnung für Caveseekers also. Nach geraumer Zeit hatten wir auch diese Etage und einige Treppenschächte erkundet,
und so begaben wir uns wieder in das unterste Stockwerk retour zum Tucherstollen. Eine am Weg liegende und noch funktionstüchtige Tiefpumpe der städtischen Wasserversorgung weckte die
Neugier des Kameraden Weiss. Nur ein hastig gebelltes "Spinnst etz" des Kameraden Klampfl verhinderte die wahrscheinliche Überflutung des Rathenauplatzes.
Wieder im Tucherstollen angekommen, ging es vorbei an unserem Zustieg Richtung Maxtor. Ein auf der Sohle des Stollens verlegtes Rohr schränkte die Bewegungsfreiheit nun etwas ein, auch das
Balancieren auf dem rutschigen Rund erforderte einige Konzentration. Zumal, wenn man in der einen Hand eine Zigarette und in der anderen eine Flasche Bier hält und dabei auch noch die
hier wieder zahlreiche vorkommenden Versinterungen ablichtet. Für echte CaveSeekers jedoch kein Problem. Nach geschätzten 200 m zweigt links der Stollen zum ehemaligen und heute größtenteils
überbauten Tucherkeller ab. Dieser wurde beim Bau der Unitiefgarage weitgehenst zerstört. So balancieren wir leicht gebückt auf dem Rohr weiter bis zur nächsten Abzweigung. Hier, am
Abzweig zum auch als Luftschutzraum ausgebauten Ströbelkeller, wird der Tucherstollen breiter und es kann wieder aufrecht gekrochen werden. Der Zugang zum Ströbelkeller ist leider durch
ein nicht allzu massives Gitter verwehrt, eine hinter dem Gitter befindliche sehr massive Tresorbunkertüre ist jedoch großzügig geöffnet, so das sich dem Besucher ein kurzer Blick in
einen noch in jüngster Zeit unterhaltenen Bunker bietet.
Weiter dem Tucherstollen folgend treffen wir bald auf eine weitere Verzweigung. Nun verlassen wir den uns so vertraut gewordenen Stollen und erkunden den Seitengang. Leicht ansteigend und
dem verwinkeltem Gang folgend kommen wir an eine weitere Abzweigung. Wer hier keinen Plan hat, bleibt besser zu Hause. Die Entscheidung fällt auf den links abgehenden Stollen, welcher uns
nach wenigen Metern in den sogenannten Stahlkeller führt. Hier sollte einst der nackte Fels mit Ziegelgewölbemauerung kaschiert werden, jedoch lassen die teils unvollendeten Bögen die
Vermutung aufkommen, dass die Maurer entweder keine Lust oder auch kein Material mehr hatten oder aber auch einfach nur nach Stalingrad abkommandiert wurden.
Das sich hier bietende chaotische Bild wird durch mannshohe Ablagerungen von Bauschutt und Sand in den Räumen zu beiden Seiten des Ganges noch verstärkt. Ein links abgehender Gang, an dessen
Sandsteinwänden deutlich maschinelle Schrämspuren erkennbar sind, endet nach kurzer Strecke an einem halb verschütteten und oben abgemauerten Treppenaufgang. Am anderen Ende dieses unvollendet
gebliebenen Gewölbekellers führt ein abgewinkelter Stollen Richtung Ströbelkeller zurück, dieser ist jedoch kurz vor Erreichen desselben durch eine neuzeitliche Mauer versperrt.
So begeben wir uns wieder zu dem vom Tucherstollen abzweigendem, mit frischem Spritzbeton verkleidetem Stollen, und diesem folgend bald darauf den Zeltnerskeller zu erreichen.
Dieser bildet zusammen mit mehreren ehemaligen Einzelkellern den großen Komplex des Paniersbunkers. Mächtige Holzstützen in Form von auf den Kopf gestellten Trapezen stützen hier
einen großen Teil der Räume, um die durch unsachgemäße Ausbauarbeiten im Krieg und durch witterungsbedingte Einflüsse geschwächten Sandsteinpfeiler zu entlasten.
Einige Räume weiter
macht dann NVA-Reserveoffizier Arendt eine Entdeckung, welche die jüngere deutsche Geschichte belasten wird: Eine stark mumifizierte Katze. Oder doch des Führers "Blondie"? Wir werden
weiter forschen.
Nun durch den Anblick des Kadavers hungrig geworden, eilen wir weiter. Über einen leicht abwärts führenden Stollen erreichen wir den "Weinkeller", welcher jedoch wohl in den Tagen
nach der großen Schlacht als Pilzzuchtanlage genutzt wurde. Verrottete Holzkisten säumen die Wände dieses Kellers, auch Teile einer ehemaligen Warmwasserheizung liegen verstreut am Boden.
Über einen weiteren Verbindungsstollen gelangen wir dann in den nächsten Felsenkeller. Die Räume hier sind mit 4-5m überdurchschnittlich hoch. Alte Stromleitungen, an
Porzelanisolatoren befestigt, sowie säuberlich geschlichtetes und bestens abgelagertes Brennholz nebst einem Haufen Steinkohle zeugen von vergangenen Tagen. Eine von diesem
Stockwerk höher führende hölzerne Treppe ist leider vor Erreichen der nächsten Etage vergittert. So begeben wir uns - immer wieder Bilder schießend - zurück zum Zeltnerskeller,
um über diesen und einem weiteren Verbindungsstollen den Weberskeller zu erreichen.
In diesem finden sich gar lustige Inschriften an den ansonsten tristen Wänden. "Gralsdom" und
"Ruhe bewahren" sowie "Gerüchte verbreiten ist Landesverrat". Toll! Auch höchst anspruchsvolle Orientierungshilfen in Form aufgepinselter grüner und roter Pfeile zieren die Bunkerwände.
Über eine kurze Treppe erreichen wir anschließend den eigentlichen Panierskeller unter dem Schulhaus am Paniersplatz. Dieser erstreckt sich über zwei versetzte Ebenen.
Hier können wieder
Sinterformationen bestaunt werden. Einige der vorherrschenden Maccaronis erreichen eine Länge bis zu einem halben Meter. Auch auf der Sohle bilden sich verschieden große, teils weiße und
ockerfarbene Stalagmitlein. Da nun aber die Kräfte und die Motivation der Kameraden nachlässt und uns auch noch ein langer Rückmarsch bevor steht, lichten wir diese Werke der Natur noch ab
und beschließen den Rückzug aus diesem riesigen unterirdischen Reich.
Auf bekanntem Wege erreichen wir geraume Zeit später wieder den Tucherstollen und streben diesem folgend dem Ausgang zu. Ein auf dem Hinweg entdeckter nach oben führender Schacht weckt
abermals unser Interesse. Herr Klampfl vermutet hier einen weiteren Ausstieg aus der Unterwelt und steigt - auch in der Hoffnung, eine Abkürzung gefunden zu haben - die Schachtröhre empor.
Vorsichtig öffnet er einen den Schacht abschließenden gußeisernen Deckel. Bingo! Der Schacht mündet geradewegs in den Stadtgraben aus, geschickt getarnt in einem Gebüsch. So können wir
ungesehen und ohne nochmals durch einen großen Teil des Tucherstollen zu müssen den labyrinthischen Untergrund verlassen.
Auf die sonst übliche Nachbesprechung bei Bier, Weib und Gesang wurde aufgrund der späten Stunde verzichtet.
Fazit: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Unterirdische liegt so nah?