Kaltes Blei, vom einzigen aktiven Muskel in schweren Stößen durch den benommenen Körper geschoben, schränkt die Funktionsfähigkeit des Geistes und der Extremitäten erheblich ein. So dringt die Erkenntniss nur sehr träge zum Bewußtsein durch, dass nicht der Russe vor der Tür, sondern stattdessen der eigene Wahnsinn der Grund für das unablässig quäkende Mobiltelefon ist.
Exakt eine Stunde später - auf der A6 - ist Stimmung gut. Kein überhöhter Harndrang und es liegen angenehme 12V am Spannungswandler. Die sechs Flaschen und vier Lungenautomaten liegen friedlich neben den drei Helmen im Kofferaum - immerhin sitzt man zu zweit im Fahrzeug.
Ankunft direkt am Loch bereits um 10:21. Die Ingolstädter und die Stuttgarter Fraktionen sind bereits am Auspacken. Militärisch kurze Begrüßung. Überprüfung der Donau und anschließend des Eingangs zum Loch.
Erhebliche Materialbewegungen entgegen der Schwerkraft einen kleinen ca. 15m langen Anstieg hinauf. Einstieg kaum zu erkennen. Nach einigem Hin- und Her schlufen die ersten beiden ein. Eingespielter Materialtransport durch das Loch. ca. 25 Meter bis zum Wasser.
Aufgrund der doch stellenweise recht engen 25 Meter, und um das Wasser nicht unnötig einzutrüben, werden einige Schlaze aus- und andere Neoprenklammotten angezogen. Anlegen der Ausrüstung zu dritt auf 3qm plus einem Wipplinger mit Fotoapperat.
Kreil als Erster, Fitzner als Zweiter, Schneider als Dritter. Aller Vorsicht zu trotz verursacht Herr Schneider Fontänen umherspritzen Wassers und Drecks, beim Versuch, sich ins Loch zu drücken. Mehrere Minuten lang ertönt unangenehmes Geblubber aus dem Schacht. Dann plötzlich nichts mehr. Offenbar hatten alle drei den Schacht durch den Verbruch verlassen.
Als erstes tauchte Herr Kreil wieder auf. Am ganzen Körper zitternd - und das im wörtlichsten Sinne. Unfähig, die Tauchleuchte noch auf ein festes Ziel zu richten, entschloss er sich zum Abbruch. Kurz darauf erschien Herr Schneider und dann 29 Minuten nach seinem Abtauchen der längst abgeschriebene Herr Fitzner.
Der Autor war eigentlich schon fest entschlossen, sich den Aufwand zu sparen, wurde dann aber durch gutes Zureden davon überzeugt, sich selbst ins Loch zu begeben. Dadurch konnten folgende Erfahrungen aus erster Hand gemacht werden:
In ca. einem Meter tiefe - bei ca. 3 cm sichtweite tut sich unter dem Helden ein Loch im Boden auf, dass beim Abtauchen irgendwie keinen Boden zu haben scheint. Nach dem dritten Druckausgleich noch immer kein Boden spürbar. Nach dem vierten Druckausgleich noch immer nicht. Dann beim fünften Druckausgleich wird der Grund erreicht. Sichweite hier ein bisschen besser - Führungsleine kann erkannt werden. Verbliebener Druck in der Flasche wird überprüft: 190 bar. Noch nie waren wir so tief in einer Höhle getaucht - kein Problem, wer Gammelfleischdöner übersteht, der schafft auch sowas.
Nach dem Überwinden des Verbruchs, taucht das Gesicht des Herrn Wolf auf. Merkwürdig klar. Schnell die im Tauchermilleu obligatorischen Arschloch-Handzeichen ausgetauscht, und schon weitergesprungen. Massiv Überbleit kann schön am Boden der Höhle umher gesprungen werden: Ein vernachlässigbarer Sprung für die Menschheit, aber ein großer Sprung für uns.
Plötzlich ist das Wasser so klar, das selbiges nicht mehr zu erkennen ist. Nur noch das laute Blubbern der eigenen Abluft zeugt von der Anwesenheit einiger Millionen Liter Wasser. Überprüfung des Mini-Finimeters ergibt 160 bar. Der Hohlraum ist rießig, das umherhopsen macht gewaltigen Spass. Weisungsgemäßer Wechsel auf zweites System erfolgt ohne Probleme bereits auf -20 Metern. Zu Übungszwecken schnell einen Salto gemacht.
Im Loch ist so viel Platz, dass ohne Probleme alle CaveSeekers gleichzeitig hier rumschwimmen könnten, ohne sich über gebühr gegenseitig auf den Sack zu gehen. Immer weiter geht das Gehopse: Runter, wieder Rauf, Links, dann Rechts. Weisser Kalkstein besetzt mit massig Bohnnerz links wie rechts - oben wie unten. Keinerlei Schlamm, überhaupt nichts was aufgewirbelt werden könnte. Exakt so, als würde man in der städtischen Trinkwasserversorgung herumtauchen - nur eben sauberer.
Alle Systeme arbeiten einwandfrei. Der 7mm Neo hält das 5 Grad warme Wasser vom Körper ab, die Brille beschlägt nicht, noch nicht einmal Wasser dringt ins Brilleninnere. Adrenalin und Endorphine in maximaler Konzentration im Blut. Schwerelos. Beeindruckt.
Als auch der Druck im zweiten System auf 160bar abgesunken ist, wird schweren Herzens zurückgehopst. Es war noch nichts vom Ende zu erkennen.
Zurück am Schacht fiel eine weitere 'Führungsleine' auf, welcher aber - zunächst - weiter keine Beachtung geschenkt wurde. Der Unterwasseraufstieg im Schacht gelang problemlos - auch wenn hier die Sicht wieder auf 0 eingeschränkt war.
Am oberen Ende des Schachts war plötzlich kein Vorankommen mehr möglich. Man hing fest. Wipplinger in einer Wassertiefe von ca. einem Meter bewegungsunfähig. Wieder erwarten jedoch keinerlei Spur von Panik. Zunächst wurde eine Minute lang versucht, tastend herauszufinden, was denn da los sei. Nach einiger Zeit verfestigte sich der Eindruck, es habe sich ein Flaschenventil an der Führungsleine verfangen. Nach erfolglosen versuchen, das Problem friedlich zu lösen, wurde dazu übergangen, das mitgeführte Schneidewerkzeug erreichen zu wollen - ohne Erfolg, kein Platz. Kurz den Hauptscheinwerfer ausgeschaltet, um eventuell einen Lichtschein der Kameraden über der Wasseroberfläche zu erhaschen - ohne Erfolg. Zurück zur Verhedderung: Brille auf Vollkontakt zum Flaschenventil. Verschwommener Sichtkontakt - genug um das Problem zu beseitigen.
Nach dem Durchstossen der Wasseroberfläche stand fest, dass man in ca. 10cm Tiefe in unmittelbarer Nähe seiner Kameraden ersoffen wäre. Bereits zum zweiten Mal konnte gelernt werden, dass Reels unter normalen Umständen lebensgefährlich sind.
Fazit: Es steht eine Umbenennung unserer Organisation ins Haus: CaveDiverz.
Übrigens, in unserern PADI-Büchern steht folgendes über Tiefengrenzen:
18 Meter - für Anfänger
30 Meter - empfohlene Tiefengrenze
40 Meter - absolute Tiefengrenze