Bei unserer heutigen Mission sollte der vor drei Wochen entdeckte
Stollen dieser ehemaligen Eisenerzgrube erkundet und fotodokumentarisch festgehalten
werden. Da wir ein ganzes Wochenende in dieser Ecke Thüringens eingeplant und somit
eine Unterkunft nahe des Einsatzortes hatten, erübrigte sich ein ansonsten übliches
und verspätetes Treffen aller Teilnehmer. So konnten wir gleich von Anfang an vollzählig
und mit einer selten großen Teilnehmerschar in Richtung Stollen vorrücken.
Angeführt von Kamerad Klampfl fuhren wir - vermutlich ein
Durchfahrtsverbot übersehend - durch ein idyllisches Waldtal. Leichte Orientierungslosigkeit
sorgte kurz vor dem eigentlichen Ziel dafür, dass nun auch einmal Stadtmenschen lernen
konnten, wie man auf einem engen Waldweg vier Fahrzeuge ohne nennenswerte Schäden
wenden konnte. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir wenig später eine nun zu
unserem Parkplatz umfunktionierte, schon stark überwachsene Halde.
Die Horde schaffte es in einer Rekordzeit von fünfzehn
Minuten, sich komplett umzuziehen und die nötige Ausrüstung zusammen zu raffen. Dann
ging's auch schon los. Schon kurz hinter besagter Halde empfing uns der Stollen,
freundlicherweise mit weit geöffnetem Eisengitter. Die wenige Meter nach dem Stollenmund
befindliche Stahltüre in einer Vermauerung des Stollens ließ sich diesmal - im Gegensatz
zu unserer Vorerkundungstour - relativ leicht dazu überreden, sich zu öffnen. Es
fehlte der damals noch vorhandene starke Wetterzug, welcher diese Türe sonst in den
Rahmen saugt. Nachdem sich auch der letzte Caveseeker durch die schmale Öffnung gepreßt
hatte, marschierten wir wohlgeordnet in einer Reihe hintereinander wie Schneeflittchen
und die 11 Zwerge in den Berg.
Fünf Minuten oder eintausendfünfhundert Zentimeter später
dann der erste Grund für eine Beinahschlägerei. Der Stollen verzweigte sich in zwei
Richtungen und, um einer sonst willkommenen Körperverletzung zu entgehen, opferte
sich Kamerad Arendt mit zwei weiteren Gesichtern aus der Gruppe, um in den rechts
abzweigenden Streckenteil einen kurzen Erkundungsvorstoß zu unternehmen. Währenddessen
folgte der andere Trupp murrend schon mal langsam dem Hauptstollen. Nun wurden die
Abstände der Anfangs in Reih und Glied marschierenden Gesichter immer größer. Die
Bildermacher und ihre Blitzschlampen lichteten alles Unmögliche ab, die Wissensdurstigen
plumpsten beinahe in ein abgesoffenes Gesenk, Kamerad Kunz entdeckte einen alten
Verteilerkasten nebst Schlauch und versuchte, durch Saugen an diesem noch etwas Energie
zu gewinnen und die Eiligen stürmten weiter den Stollen entlang.
Nach geschätzten 900 Metern erreichte die Sturmtruppe eine
Art Ausweichstelle, wo sich in einer durch eine Mauer vom Hauptstollen getrennten
Bucht ein ebenfalls unter Wasser stehender Schacht befindet. Durch das Anfangs noch
klare Wasser konnte man eine in der Tiefe verschwindende Leiter und Bühnenreste sehen.
Welche Funktion dieser Schacht jedoch einmal gehabt haben könnte, erschließt sich
dem Betrachter nicht, da keinerlei Fördereinrichtungen oder dergleichen sichtbar
sind. Der Förderstollen selbst hatte dem Anschein nach einmal eine wichtige Funktion,
da dieser mit relativ großem Querschnitt aufgefahren wurde. An der Firste des Stollens
hängen in regelmäßigen Abständen Reste von Isolatoren, an denen wohl einmal der Fahrdraht
für die Grubenlokomotiven angebracht war. Vom Schienenweg selbst sind nur noch die
Schwellen erhalten, hier hat vermutlich ein Altmetallhändler schon feste Tatsachen
geschaffen.
Der Stollen ist größtenteils mit einer Stampfbetonmauerung
ausgebaut, an manchen Stellen kommt auch Ziegelgewölbemauerung oder hölzerner Türstockausbau
vor. An sehr wenigen Stellen durchfährt der Stollen das Gebirge ohne Ausbau, und
in diesen Bereichen erkennt man gut, wie zerklüftet der Berg ist. Ungefähr 1000m
vom Stollenmund entfernt treffen wir dann erneut auf einen Abzweig, diesmal jedoch
einmündend. Da sich die Gruppe inzwischen weit verstreut hat, entfallen die sonst
üblichen Diskussionen über den weiteren Weg und so bleiben die Kameraden erst einmal
auf dem Hauptstollen. Vorbei an einem ebenfalls abgesoffenem Gesenk treffen wir wenige
Meter weiter auf einen großen, den halben Stollen ausfüllenden Verbruch. Die hier
zwischen Stahlsegmenten eingebrachten Holzstöße haben dem Zahn der Zeit nachgegeben
und die darüber befindlichen Lockermassen in den Stollen stürzen lassen.
Über dem Verbruch ist ein hoher Abbauhohlraum erkennbar,
an dessen Seiten tonnenweise lockeres Geröll auf den Befahrer wartet. Nach einem
kurzen und vorsichtigem Blick hinter den Verbruch, wo sich bereits reichlich Wasser
angestaut hat, beschließen wir einstimmig, hier den weiteren Vormarsch zu beenden
und dafür in den kurz zuvor passierten Abzweig zu marschieren. In diesem hat der
enorme Bergdruck auch schon beachtliche Arbeit geleistet. Die Stampfbetonmauerung
ist durchzogen von armdicken Rissen, stellenweise hat sich das Gewölbe um mehrere
Zentimeter gegensätzlich verschoben. Zudem scheint dieser Stollenteil bergwärts abzufallen,
da das auf der Sohle strömende Wasser immer tiefer wird. So müssen wir nach einiger
Zeit wegen Überforderung der Gummistiefel auch hier unsere Befahrung beenden, obwohl
optisch kein Ende in Sicht ist.
Mit dem eisernem Vorsatz, noch einmal mit Wathosen anzurücken,
kehrten wir um den emsig fotographierenden Kameraden entgegen. Diese waren zwischenzeitlich
auch schon an dem großen Verbruch des Hauptstollens angekommen. Einige Bilder weiter
konnte so dann geschlossen der Rückzug angetreten werden. Dreißig Minuten später
erreichten wir den ersten Abzweig. Die Anfangs gleich in den Hauptstollen stürmenden
Kameraden wollten auch in diesen noch einen Vorstoß unternehmen. Schon wenige Meter
nach der Verzweigung nach einer alten ziegelgemauerten Wetterschleuse bot sich dem
Betrachter ein leicht chaotisches Bild. Ein großes Gesenk war halb verbrochen und
- wie so oft - gänzlich abgesoffen. Die Sohle dieses Stollens wurde überdeckt von
einer gelblich-weißen Pilzkultur. Zudem wurde der weitere Weg durch einen riesigen,
den gesamten Raum ausfüllenden Verbruch abgeriegelt. Also Schicht im Schacht und
entgültiger Rückzug.
So trafen wir uns alle wohlbehalten und vollzählig an der
U-Boottüre nahe dem Stolleneingang wieder und fuhren aus. Da einige Fragen zu dieser
Grube offen blieben, wie zum Beispiel die Frage nach dem diesmal fast völlig fehlendem
Wetterzug und der Tatsache, mit geeigneten Wathosen weiter zu kommen, entschieden
einige der anwesenden Kameraden, eine Folgebefahrung in naher Zeit zu organisieren.
Beendet wurde d ieser Ausflug in die Eingeweide des Thüringer W aldes bei Bier und
Tee in einer behaglichen kleinen Pension nahe mehrer er Schieferbergwerke. Auch
diese werden eines Tages von uns überfallen wer den. Die Arbeit wird uns wohl so
schnell nicht ausgehen.