CaveSeekers kennen keine Gnade. Wie sonst hätte Herr Härtl auf
die Idee kommen können, extra für Herrn Kroiss eine Mission anzuberaumen, obwohl
letzterer immer noch unter den Folgen seines erst wenige Tage zurückliegenden Debüts
in der Rostnagelhöhle litt?
Man hatte sich den mit Abstand heissesten Tag dieser Juliwoche ausgesucht - Abkühlung tat also Not. Die überpünktlich eingehaltene Startzeit wurde mit 19:00 Uhr so gewählt, dass es beim Verlassen des Lochs nach der maximal zweistündigen Befahrung immer noch hell wäre - so der Plan. Zunächst aber musste die Höhlenforscherausrüstung angelegt werden: Familie Härtl mit Profi-Schleifsack, aber ohne Handschuhe - die Natur hautnah erleben war hier das Motto. Familie Kroiss glänzte mit Gummistiefeln, die vermutlich von Mietnomaden auf der Flucht zurückgelassen worden waren, der Jacke des Schwiegervaters und einem Helm mit blau glitzernden Sternen, der den blanken Neid der anderen Missionsteilnehmer hervorrief. Wahres Understatement zeigte Herr Pesahl mit Sweatshirt und Wanderrucksack.
Nachdem man 15 Meter in den Hohlraum vorgestossen war, stellte
sich an der ersten Kletterstelle bei Familie Kroiss ein gewisses Unbehagen ein. Genau
hier hatte man drei Wochen zuvor in einer Gruppe von Turnschuhtouristen den Rückzug
angetreten, nachdem ein zufällig angetroffener, echter CaveSeeker vor "Abstürzen
an allen möglichen Stellen" gewarnt hatte. Eine durchaus berechtigte Warnung, wie
sich im weiteren Verlauf der Befahrung zeigte. Mit vereinten Kräften und einer Strickleiter
konnte das Hindernis diesmal bezwungen werden.
Die Freude war jedoch nur von kurzer Dauer, denn sogleich entdeckte Herr Härtl eine frische Blutspur. Da der eigene Trupp bisher unversehrt war, musste es sich hierbei um ein Fremdopfer handeln. Als Experten wusste man, dass in der Fauna dieses Hohlraums neben den blutrünstigen Fledermäusen auch die silberlochtypischen Kampfhunde eine ernsthafte Bedrohung darstellen. Ganz im Sinne der Höhlenrettung folgte man der Blutspur. Im ersten Schluf hatte man Gelegenheit, die in regelmässigen Abständen plazierten Blutspritzer während des Kriechens mit der Nasenspitze zu analysieren.
Als man kurze Zeit später am Aufstieg zur Sinterhalle angelangt
war, stand jedoch nur noch die eigene Rettung im Mittelpunkt. Beim Anblick der ca.
7 Meter hohen Kletterstelle gab es für Familie Kroiss nur noch einen Ausweg: feiges
Wegrennen! Doch zu spät - Herr Härtl vereitelte die Flucht, indem er die Weicheier
per Klettergurt festband und gewaltsam den Berg hochzerrte.
Die Mühen wurden mit dem Anblick der - leider von Menschenhand stark zerstörten - Sinterhalle belohnt. Das nun folgende Martyrium der Höhlenfotographie stellte alle bisherigen Strapazen in den Schatten. Die Gefahr des Todes durch Unterkühlung wegen dummen Herumstehens ist nicht zu unterschätzen! Auf speziellen Wunsch des abwesenden Herrn Wipplingers wurde 45 Minuten lang jeder noch so zerstörte Tropfstein abgelichtet. Die Blitzschlampen Härtl und Kroiss hatten dabei nichts zu lachen: nachdem den anwesenden Damen das Modellieren lustiger Lehmfiguren zu langweilig geworden war, bombardierten sie die Herren mit schmerzhafter Lehmmunition. Gleichzeitig machte sich Herr Pesahl einen Spass daraus, immer genau dann abzudrücken, wenn die Blitzschlampen direkt in die Sklavenblitze blickten.
Derart geblendet und unterkühlt wollte man zum berüchtigten
Silberloch-Schacht weitertorkeln. Allerdings war der Schluf dorthin durch den zwischenzeitleich
eingetroffenen Herrn Fitzner nebst Begleiter blockiert, so dass noch weiter gefroren
werden musste. Endlich kam Herr Fitzner zurück - allein! Sein Begleiter hatte im
Labyrinth die falsche Abzweigung erwischt, und steckte vermutlich irgendwo hilflos
fest. Nach längerem Gelächter erbarmte sich Herr Fitzner und konnte seinen Schützling
wohlbehalten bergen. Das war das Startsignal für die restlichen Fünf, sich durch
das sehr unwegsame Labyrinth zum Schacht hinunterzuquetschen. Die Mutigen genossen
die Aussicht vom Balkon, wobei Herr Härtl das Fehlen von Geranien bemängelte. Herr
Kroiss ließ es sich nicht nehmen, den ersehnten Blick in das imposante, schwarz gähnende
Loch mindestens 4 Sekunden zu genießen. Doch dann war es höchste Zeit für den Rückzug,
denn die Hosen waren so voll, dass das Passieren einiger Engstellen zum Problem hätte
werden können. Natürlich hätte man aus dem Fehler der Fitzner-Gruppe lernen können,
doch ein Teil der Familie Kroiss ließ es sich nicht nehmen, eine enge Sackgasse im
Labyrinth einer unfreiwilligen Erforschung zu unterziehen. Der Tonfall der Hilferufe
lässt auf einen äußerst interessanten Gangverlauf schließen.
Der Rest des vorwiegend bergab orientierten Rückwegs verlief
zügig, denn - so wurden wir aufgeklärt - herunter kommt man immer irgendwie. Als
der Hohlraum nach einer fast doppelt so langen als geplanten Befahrungszeit verlassen
wurde war zwar von Tageslicht keine Spur mehr, stattdessen konnte die Nachbesprechung
aber im warmen Sommerregen durchgeführt werden. Respekt an Herrn Härtl, der unter
gewissenhaftem Einsatz seines Körpers, Materials und seiner Nerven den Neulingen
zu einer sicheren und absolut beeindruckenden Befahrung des Silberlochs verhalf.
Ein Bonuspunkt wurde bereits beantragt.