Große Diskrepanzen
Diskrepanzen zum einen in Sachen "verklärter Blick in die Vergangenheit" - insbesondere den Grad der unerhörten "Unangenehmlichkeit" des Silberlochs betreffend. Zum anderen aber auch Diskrepanzen bezüglich der erinnerten und der tatsächlichen körperlichen Leistungsfähigkeit. Diese nimmt im Alter natürlich keineswegs ab. Leider fühlt sich aber so an. Am allerschlimmsten jedoch die Diskrepanzen zwischen dem erinnerten und dem tatsächlich bereits vorhandenen Fotomaterial.
Eine Woche vorher: In bester Stimmung am drei Meter hohen 1.Mai-Lagerfeuer sitzend wurde die wirre Idee geboren, doch mal wieder eine Höhle zu befallen. Beschwingt durch den vor kurzem gefeierten Erfolg im Todsburger Schacht war klar, dass es nur ein Ziel geben kann: Das Silberloch! Denn dort "fehlen noch Bilder vom letzten Raum und vom allerletzten Schacht."
Nach erheblichen Schmerzen musste am Tag nach der Austragung festgestellt werden, dass das mit den Bildern leider nur teilweise stimmte - der Raum war schon einmal fotografiert worden. Und dass das mit dem allerletzen Schacht noch immer so ist wie vorher: unfotografiert! Vermutlich würde es Leben retten, wenn uns jemand ein paar Bilder von dort unten zu Verfügung stellen könnte. Oder zumindest eins.
Im Vorfeld: Kampfkraftzersetzer O. Arendt lässt es sich nicht nehmen, Herrn Hauselt im Stillen davon in Kenntnis zu setzen, dass eine solche Silberloch-Mission "8 Stunden plus x" dauern würde. Unter diesen Umständen kann Herrn Hauselt kein Vorwurf gemacht werden, den Schwanz in letzter Sekunde eingezogen zu haben. Herrn Arendt aber natürlich schon - war er doch einer, der im bierseeligen Moment den Beschluss am Feuer mittraf. Genauso wie Herrn Warnick - welcher als einzige Entschuldigung ein depressives "Ich passe nicht mehr in den Schlaz" hervorbrachte. Zumindest war dies glaubhaft. Fraktion München entschuldigte sich ebenso glaubhaft - wenn auch noch ein wenig später.
So kam man exakt eine Stunde und 7 Minuten zu spät am Silberloch an. Schließlich liegt ein King am Weg und man fährt regelmäßig an der Ausfahrt Deggendorf vorbei, muss dann bei dieser Gelegenheit in Ingolstadt nochmal kurz zum Kentucky - das dauert.
Mit hängenden Schultern stand man dann am Parkplatz vor dem Loch als folgende Frage gehört werden musste: "Wieviel muss ich euch zahlen, damit wir jetzt abbrechen?". Die unüberlegte Antwort war: "Jetzt sind wir schon angerödelt! Rein jetzt." - ein schwerer Fehler, wie sich herausstellen sollte. Aber erst viele Stunden später.
Beflügelt von der Vorstellung, genauso wie 'früher' in grob 34 Minuten am Türkenschluf zu sein, war die Stimmung bis zum Eingang gar nicht schlecht. Mit dem ersten Bücken, spätestens an der ersten kleinen Kletterstelle, allerspätestens aber am ersten Schluf war klar: Dieses Mal dürften es wohl über 34 Minuten werden. Merke: Umso mehr CaveSeekers im Loch, umso länger dauerts bis diese wieder draußen sind.
Dann ein erbärmlicher Zwischenfall am Schacht - verursacht durch Herrn Wipplinger - der mindestens 60 Minuten kostete. Herr Distler kümmerte sich rührend um den alten Mann, welcher, trotz minus 10 Kilo, bedingt durch den guten Industrieklettergurt einfach nicht durchs Loch passen wollte. Es flossen Tränen. Nicht zum letzten Mal an diesem schlimmen Tag.
Am Schachtgrund wurde zunächst roher Schinken aus einem südeuropäischen Schurkenstaat verspeist, bevor Herr Wipplinger sich schuldbewusst durch den Türkenschluf drückte, um festzustellen, dass der "Siphon" quasi trocken war. Keine Ausflüchte möglich. Durch den Siphon, die Spalte hoch und man stand im Batz der hohen Halle.
Nach 2 Uhr nachts wurde schließlich begonnen, die obligatorischen 16 Bilder zu gestalten - was ohne Motiv durchaus schwierig war. Darum mussten die beiden Blitzschlampen überproportional oft als Sinterersatz herhalten.
Leider musste wieder am vermutlich finalen Schacht kapituliert werden: Kein Seil - die Jugend hatte den kleinen Schleifsack vorsichtshalber am großen Schachtgrund zurückgelassen. Zusammen mit dem Rest-Schinken. Und der Motivation.
Der Weg zurück war geprägt von Leiden. Schluft der Mann mit 90kg Eigengewicht plus vielleicht 5kg Peliboxen und Seilen ein, kämpft er sich mit gefühltem doppelten Gewicht wieder zurück ans Licht. Jeder Quadratzentimeter des Schlazes ist einen Zentimeter dick mit klebrigem, unfassbar schwerem Dreck verschmiert. Zusätzlich zur Schwerkraft zerrt also auch noch Dreck am Manne.
Beim Versuch aus dem "beschissenen Loch, das im Boden des Schlufes zum großen Schacht unangenehm im Boden lauert" zu entkommen - also dort, wo zumindest einer schonmal ein Kreuzband verloren hat - mussten in ärgster Not erstmal die Fallgurte abgenommen werden. Quasi frei balancierend über dem Abgrund, nahezu unbeweglich ob des Drecks und mit schmerzenden Augen, wegen extremer Transpiration im Stirnbereich. Es flossen wieder Tränen. Noch mehr diesmal.
Gelernt: Mitte Mai wird es gegen 5:00 Uhr morgens bereits schon wieder hell - und die Vöglein schreien auch um 5:45 schon so laut, dass an Schlaf eigentlich nicht zu denken ist.