Die geplünderte Reichsschatzkammer
Zu diesem als Event getarnten Spezialeinsatz zur Unterwanderung Thüringens hatte
ein geheimer Tipp auf das verschollene Bernsteinzimmer geführt. Fragwürdige Gestalten
berichteten von im Salz verborgenen Schätzen des Deutschen Reichs. Zahlende Schatzsucher
würden angeblich mit Pritschenwägen zu den verborgenen Reichtümern gefahren, gegen
Bestechungsgelder dürften diese dann auch fotografiert werden.
Da ein echter Caveseeker - wie bekannt - nicht nur rumhöhlt, sondern sich auch für
Kultur interessiert, wurde beschlossen, diesem abenteuerlichen Gerücht nachzugehen.
Zumal - was alten Männern sehr entgegenkommt - dort bequem herumgefahren werden kann.
Eilig wurde die CaveSeeker-Spezialeinheit zusammen gestellt: Taucher, Fotografen,
Bergleute, Speleologen und andere zu allem entschlossene Verrückte. Auch zwei junge
Caveseeker - Aspiranten wurden wegen ihres geringen Körpervolumens dem Einsatz zugeteilt,
um etwaige enge Hohlräume untersuchen zu können.
Fast pünktlich traf sich die bunte Einheit an einem - bei überwiegend ausländischen
LKW-Fahrern - beliebten Rasthof im Steigerwald. Nach einem Expresskaffee plus Weggala
rückten alle Teilnehmer geschlossen Richtung Osten vor. Der Burger King bei Schweinfurt
forderte einen kurzem Halt ein. Über neue steuerfinanzierte Autobahnen passierten
wir später die - aufgrund akutem Geldmangels - schlecht gewartete Grenze der DDR.
Da mittlerweile seit 19 Jahren bei den Grenztruppen gespart wird, entfielen die eigentlich
notwendigen Grenzkontrollen. Es konnte ungehindert nach Thüringen eingedrungen werden.
Andersherum geht es auch, sichtbar an den vielen eingesickerten Russen im Westen.
Da ein unüblicher fester Termin einzuhalten war und uns der ungeplante Stop in Schweinfurt
wertvolle Zeit kostete, wurde nun schneller gefahren. Langsamere Fahrzeuge überholten
wir selbstmörderisch und ausschließlich in unübersichtlichen Kurven. Ohne Tote wurde
überpünktlich das Ziel erreicht.
Nach der Eroberung der für uns notwendigen Parkplätze begaben wir uns eiligst zum
Eingang des Kalisalzbergwerkes. Die Förderkorbundpritschenautobenutzungsgebühr, welche
auch die Bestechungsgelder zum Besichtigen des Schatzes enthält, wurde entrichtet.
Ein jeder von uns erhielt eine Hundemarke.
Sogleich ging es in den esten Stock des Gebäudes zur Einweisung. Zu Fuß! Sollte
man uns belogen haben?
Ein Herr in Weiss begrüßte uns. Er gab hilfreiche Tipps zum Verhalten untertage.
Wir erfuhren, welche Folgen ein Riss des Förderkorbseiles haben könnte und was passiert,
wenn man in einem 2,20 m hohen Stollen während der Fahrt im Mannschaftswagen aufsteht.
Auch vor dem Verlassen der Gruppe wurde gewarnt. In den 4000 km langen Stollenanlagen
würde Blinde Kuh spielen angeblich keinen Spaß machen. Spielverderber!
Anschliessend durften wir - wiederum zu Fuß - noch eine Etage höher zum Umkleideraum.
Jeder bakam einen Helm - der wahre Caveseeker hatte jedoch seinen eigenen mit Licht
dabei - und eine blaue Jacke. Die Jacke rief Erinnerungen an ein Arbeitslager hervor,
deshalb verweigerten einige die Einkleidung. Die vorher erstandenen Hundemarken wurden
uns von dem Herrn in Weiss wieder abgenommen. Falls keiner zurück kommt, bleiben
wenigstens die Marken.
Vor uns tat sich nun die Hängebank auf, auf der nicht etwa arme Sünder gehängt werden,
sondern an der dreistöckige Aufzugskörbe betreten werden. Mit einer Geschwindigkeit
von 14 m/s wird es in die Tiefe gehen. In selbiger angekommen betreten wir nun eine
500m unter der Erde liegende Empfangshalle, eingebettet in Salz. Darüber das Grundwasser
auf einer dünnen Schicht Ton. Wenige Meter weiter - hinter hohen Toren - stehen aufgereiht
Pritschenfahrzeuge, auf welche wir - sehr zur Freude der fußkranken Franken - aufgeteilt
werden.
Nach dem Kampf um die vermeintlich besten Plätze, ging es mit der halsbrecherischen
Geschwindigkeit von 35 km/h durch ein Labyrinth von Stollen und Kammern
dem Reichsschatz entgegen. Zuerst wurde ein beachtlich großer Raum angesteuert, welcher
in Franken seinesgleichen suchen würde. In dieser, als Salzbunker angelegten 250m
langen und 14m hohen Halle werden Konzerte veranstaltet.
Vorbei an einem aus dem Tagebau bekannten Riesenbagger ging es weiter bis zu einer
weiteren, jedoch nicht so üppig dimensionierten Kammer. Hier sind allerlei Großgeräte
des Kalibergbaus ausgestellt.
Immer noch keine Spur vom Reichsvermögen!
Wieder in den Fahrzeugen, abermals durch kilometerlange Stollen fahrend, kündigte
unser Führer - der Mann in Weiss - nun endlich die Schatzkammer an. Ungeahnte Mengen
an Gold waren augenscheinlich dort gelagert. Heute ist die Halle leer. Alles wurde
- nach Meinung des Führers - gerettet durch den großen amerikanischen Freund im schlimmen
Kriegsendjahr 1945. Pünktlich konnte die Grube besenrein an die Rote Armee übergeben
werden. Ein Trost, wenigstens zum Teil kam das Gold wohl in Form des Marshallplanes
zurück.
Zu sehen ist deshalb nur in Pappschachteln gepacktes Falschgeld und ebenso gefälschte
Goldbarren. Bewacht wird die Szene von zwei als US - Soldaten verkleideten Schaufensterpuppen
mit Jeep und Maschinengewehr.
Nachdenklich angesichts des aufgedeckten Diebstahls fuhren wir weiter, dem letzten
Ziel entgegen. Unser Fahrer demonstrierte unterwegs durch Ausschalten der Lichter
wie dunkel Dunkel sein kann. Feigerweise hielt er hierzu das Fahrzeug an, was bei
einigen von uns Enttäuschung hervorrief.
Nach Kilometern erreichten wir in einer Tiefe von 800m die Kristallgrotte, welche
erst 1980 angefahren wurde. Dieser natürlich entstandene Hohlraum ist an Wänden,
Boden und der Decke bedeckt mit tausenden, bis zu 1,5m Kantenlänge messenden Salzkristallen.
Dies ist heute der wahre Schatz der Kaligrube. Beeindruckt von den Leistungen der
Natur staunten wir. Zurecht ein Geotop aller Deutschen.
Es wurden gar viele Bilder geschossen. Wenn unser Führer nicht so kritisch auf seine
Uhr geschaut und sowas wie '17.00 Uhr ist Feierabend' gemurmelt hätte, wären wir
am nächsten Tag noch dagestanden. Widerwillig wurden die Fahrzeuge erneut bestiegen
und die Rückfahrt zum Schacht angetreten.
Viel zu schnell ging es wieder nach Übertage. In gut drei Stunden hatten wir etwa
20 km des riesigen Stollensystems befahren.
Abgerundet wurde der Tag in einer thüringischen Gaststätte bei landestypischen Spezialitäten.
Fazit: Kein Reichsschatz, dafür aber eine unbezahlbare wunderschöne Kistallgrotte,
welche man gesehen haben muß.
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